„Sie ist wirklich reif für ihr Alter,“ schwärmt Sophies Mutter und schenkt ihrer Tochter beiläufig einen stolzen Blick. „Manchmal vergesse ich sogar, dass sie ein Kind ist und spreche mit ihr, wie mit einem Erwachsenen.
Hast du manchmal das Gefühl, dass dein Leben verdammt schwer ist? Der Grund könnte ein Rucksack sein, den du schon viel zu lange, nämlich seit deiner Kindheit, mit dir herumträgst. Solch ein unsichtbares Gepäckstück zeigt sich häufig dadurch, dass du immer wieder dieselben Probleme hast, immer wieder dieselben Verletzungen oder Enttäuschungen erlebst oder immer wieder in alte Verhaltensmuster zurückfällst, mit welchen du dir selbst schadest.
Hast du auch manchmal den leisen Verdacht, dass du dich selbst sabotierst? Oder dich gar schon einmal dabei erwischt, wie du dir selbst im Weg stehst? Vielleicht hast du einen wichtigen Termin, und statt dich darauf vorzubereiten, findest du dich plötzlich dabei, wie du die ganze Wohnung blitzeblank putzt oder dir einen Film anschaust.
Oder du bist kurz davor, ein neues Projekt zu starten, doch anstatt loszulegen, kommen dir tausend Gründe in den Sinn, warum es nicht der richtige Zeitpunkt ist.
Kennst du die Situation, in der du auf eine Art und Weise reagierst, wie du es eigentlich so gar nicht möchtest? Vielleicht, in dem du jemanden anbrüllst, statt konstruktiv zu bleiben, dich schmollend zurückziehst, statt die Situation zu klären, dich unterwirfst und zu allem „Ja“ sagst, obwohl du doch eigentlich Grenzen setzen wolltest?
Kommt da ein leichtes Nicken bei dir auf? Keine Sorge, damit bist du nicht alleine.
Manche Menschen sind wahre Künstler darin, schmerzhafte Erfahrungen und negative Gefühle zu verdrängen. Kein Wunder, schließlich wurde uns bereits früh beigebracht, dass Gefühle nicht überall erwünscht sind – schon gar nicht wenn es sich um negative handelt.
Sätze wie diese haben wir durch kindliche Erfahrungen bereits früh in unserem Unterbewusstsein abgespeichert.
Ich muss lächeln, sonst wird Papa wütend
Ich darf nicht weinen, sonst mache ich Mama traurig
Ich darf nicht ärgerlich sein, sonst mag mich Oma nicht
Umso weniger es in unserer Kindheit erwünscht war, Gefühle, Schmerz und Verletzung zu zeigen, desto eher sind wir heute ein Verdränger.
Lisa steht jeden Morgen um 5:30 Uhr auf. Sie jongliert zwischen den Bedürfnissen ihrer zwei Kinder, den Einkäufen, dem Haushalt und ihrem Job hin und her. Manche Tage fühlen sich an wie eine einzige Hetzjagd. Abends fällt sie dann oft erschöpft ins Bett und fragt sich: Wo bin ich eigentlich auf der Strecke geblieben?
Ja, ich weiß, die Headline klingt radikal. Aber manchmal ist es notwendig, Schmerzhaftes so direkt anzusprechen, um endlich aufzuwachen und den ersten Schritt zu tun. Und eingebrannte Glaubenssätze können unser Leben so richtig mies - oder aber so richtig gut machen.
Es sind also unsere Überzeugungen, die unser Leben zu einem fröhlichen Meisterwerk oder einem trüben Dasein machen. Das, was wir von der Welt und von bzw. von uns selbst glauben, löst Gefühle, Handlungen und folge dessen Reaktionen aus, die unser Schicksal formen. Dass dies die Wahrheit ist, kannst du prüfen, indem du diesen kurzen Test machst.
Dieses Gefühl, sich selbst klein zu halten, ist wie ein unsichtbares Netz, das uns gefangen hält, ohne dass wir es wirklich bemerken. Es schleicht sich in unsere Gedanken, in unsere Worte und unser Verhalten ein, beeinflusst jede Entscheidung, die wir treffen, und jeden Schritt, den wir unternehmen. Es ist wie eine unsichtbare Hand, die uns davon abhält, unser volles Potenzial zu entfalten und das Leben zu führen, das wir uns wünschen.
Schon beim Aufwachen beginnt der Tag für Lisa mit einer Flut innerer Belastung. Während sie langsam die Augen öffnet, durchströmen sie Gedanken wie: "Was muss ich heute alles schaffen? Habe ich gestern wirklich alles erledigt? Gibt es etwas, das ich vergessen habe?"
Sie steht auf und begibt sich ins Badezimmer. Jeder Blick in den Spiegel ist von Selbstkritik begleitet. "Meine Haare liegen heute nicht richtig. Ich sehe müde aus. Warum kann ich nicht perfekt aussehen, so wie die anderen?"
Beim Frühstück beginnt sie ihre To-Do-Liste für den Tag zu überprüfen. Jeder Punkt muss perfekt abgearbeitet werden, ohne Fehler und ohne Ausnahmen. "Ich muss pünktlich im Büro sein. Die Präsentation muss einwandfrei sein. Ich darf bloß keine Fehler machen."
Ich erinnere mich noch gut an einen Vorfall in der Grundschule, der mich sehr lange Zeit begleitet hat. Es war ein normaler Schultag und wir hatten eine Gruppenaufgabe zu erledigen. Als ich versuchte, mich in die Gruppe, in der auch meine damals beste Freundin war, einzubringen, wurde ich von meinen Klassenkameraden ausgelacht: "Dich wollen wir nicht dabeihaben", riefen sie. Dieses Gefühl der Ablehnung und Einsamkeit, das in der damaligen Situation entstand, hat sich tief in mein Bewusstsein eingebrannt. So tief, dass ich die Narben bis ins Erwachsenenalter spürte.
Lange Zeit vermied ich es, Menschen aktiv anzusprechen aus Angst vor Ablehnung. Und ich verhielt mich in Gruppen immer extrem passiv. Außerdem traf ich meine Freundinnen stets einzeln und niemals gemeinsam, um das Risiko, ausgeschlossen zu werden, zu reduzieren.
Wie soziale Unsicherheit dein Leben schwer macht
Du findest dich auf einer lebhaften Geburtstagsparty von Freunden wieder, umgeben von fröhlichen Gesichtern und guter Musik. Die Atmosphäre ist entspannt, aber du bist nicht entspannt, denn das Gefühl von Unsicherheit vereinnahmt dich von Minute zu Minute mehr und mehr.
Du kennst kaum jemanden, außer den Gastgeber und stehst alleine in einer Ecke, da tut sich neben dir eine Gruppe auf. Du belauscht die Gespräche, zögerst aber, dich aktiv einzubringen. "Was, wenn ich etwas Falsches sage? Was, wenn alle mich ignorieren oder sogar komisch finden?“
Es sind nicht immer die großen Herausforderungen, sondern oft die scheinbar banalen Momente, die uns mit unserer inneren Unsicherheit konfrontieren.
Es war der erste gemeinsame Urlaub mit meinem Partner - sieben Tage voll Sonne, Strand und ununterbrochener Zweisamkeit – eine Vorstellung, die mich vor Freude strahlen ließ. Am Anfang schien alles perfekt, der erste Abend war wunderschön. Doch schon am zweiten Tag beim Frühstück überkam mich ein seltsames Gefühl. Ein leises Flüstern in meinem Inneren rief: "Hier wird es mir zu eng. Ich muss weg".
Verwirrt von diesem inneren Zwiespalt bat ich am dritten Tag meinen Partner, einige Stunden getrennt voneinander zu verbringen. Ich machte einen langen Sparziergang und fragte mich, was denn in mich gefahren war. So viele Jahre hatte ich mich geradezu schmerzhaft nach Nähe gesehnt und nun, wo sie endlich da war, war sie mir zu viel.
Das pflegeleichte Kind in dir
„Sie ist so pflegeleicht und reif für ihr Alter!“ Hast du diesen oder ähnliche Sätze in deiner Kindheit öfter gehört und dich dabei wie ein neuer Schneekönig gefühlt?
Was auf den ersten Blick wirkt wie ein Kompliment, kann leider erheblich negative Auswirkungen auf unser Leben haben. Denn leider ist ein pflegeleichtes Kind keine Win-Win-Situation. Klar ist, dass Eltern mit „unkomplizierten“ Kindern weniger gestresst sind und ihre Bedürfnisse nicht ganz so sehr zurückstellen müssen, wie es die Regel ist.
Die Ursache für mangelnde Selbstliebe findet sich oft in der Kindheit
Die meisten Menschen nehmen aus ihrer Kindheit nicht nur schöne Erinnerungen, sondern auch tiefe Verletzungen, negative Überzeugungen und selbstsabotierende Verhaltensmuster mit. Genau diese Lasten hindern uns später daran, eine gesunde Beziehung zu uns selbst aufzubauen und uns selbst zu lieben. Die Ursachen für mangelnde Selbstliebe liegt fast immer in der Kindheit begraben.
In diesem Honigperlen-Podcast Interview ist Nadine zu Gast bei Melanie. Nadine erzählt sehr offen und ehrlich über ein traumatisches Erlebnis in ihrer Kindheit, das sie sehr geprägt hat. Als ihre Mutter nämlich vergaß, dass es sie gibt und die Worte "Ich habe keine Tochter" aussprach, stand sie als kleines Mädchen direkt daneben. Wie Nadine es gelungen ist, einen Weg raus aus ihrer Verlustangst und hin zu sich selbst zu finden, erfährst du in diesem wunderschönen Interview.
Hast du möglicherweise ein Trauma in der Kindheit erlitten?
Jeder zweite von uns erlebt im Verlauf seines Lebens ein Trauma. Gerade dann, wenn das Trauma bereits in der Kindheit entstanden ist, sind wir uns diesem oft nicht bewusst. Zum einen liegt das an der gängigen Kindheitsamnesie (wir können uns erst ab einem bestimmten Alter zurückerinnern) und zum anderen an einem Schutzmechanismus, der dafür sorgt, dass wir Traumatisches oft verdrängen.
Wer ein Trauma in der Kindheit erlebt, leidet nicht selten als Erwachsener noch an dessen Auswirkungen. Daher sollte man, wenn man diese Vermutung hat, unbedingt einen Arzt und Therapeuten aufsuchen.
Wenn du nicht Kind sein durftest
„Ich musste viel zu früh erwachsen werden!“ Diesen Satz hört man oft von Menschen, die als Kind einer Parentifizierung ausgesetzt wurden. Aber was bedeutet das eigentlich genau?
Parentifizierung entsteht, wenn ein Kind in die Rolle eines Elternteils gedrängt wird, z.B. es muss Aufgaben übernehmen, die seinem Alter nicht entsprechen. Oder es wird in Themen der Eltern involviert, denen es nicht gewachsen ist. Oder aber, es wird als Partnerersatz von einem der beiden Elternteile genutzt. Kurzum: Dem Kind wird das Kind-sein genommen. Es bekommt nicht den entsprechenden Rahmen, um seine kindlichen Bedürfnisse nach Sorglosigkeit und Spontanität zu leben.
Brutal gesagt, ist Parentifizierung der Raub der Kindheit.
Reparenting: Nachholen, was dir als Kind gefehlt hat
Reparenting, die sogenannte Nachbeelterung, ist ein wichtiger Aspekt, wenn du das Gefühl hast, noch immer Verletzungen aus deiner Kindheit mit dir herumzuschleppen. Damit etwas klarer wird, was dahinter steckt, greife ich auf ein Beispiel zurück:
Als die kleine Marie mit 8 Jahren zum ersten Mal eine schlechte Note nachhause brachte, fühlte sie sich schlecht, wertlos und nicht gut genug. Ihre Eltern, die selbst sehr streng erzogen wurden, verstärkten das Gefühl, indem sie ihr sagten, sie hätte sich mehr anstrengen sollen, sie sei ein Faulpelz und sie würde immer so viele Fehler machen.
Liebe ist kein Luxusgut. Jeder Mensch kommt mit dem Grundbedürfnis zu lieben und geliebt zu werden auf die Welt. Die ersten Lebensjahre prägen uns zudem mehr als alles andere. Fehlt in diesen Lebensjahren ein gesundes Maß an Zuneigung, haben wir später oft emotionale Probleme, die uns das Leben schwer machen.
Aber wie kann es überhaupt sein, dass Eltern ihre Kindern nicht ausreichend Liebe schenken? Einer der Hauptgründe sind Erziehungsregeln aus Kriegs- und Nachkriegszeiten, sowie das Nachahmen der eigenen Erfahrungen.
Wir alle haben sie – Schutzstrategien, die uns davor bewahren sollen, bestimmte Kränkungen, Ablehnungen und Enttäuschungen noch einmal zu erleben. Das Problem dabei, sie schützen uns nur im ersten Moment und machen unser Leben und vor allem Beziehungen infolge schwieriger. Meist führt das durch Schutzstrategien ausgelöste Verhalten sogar dazu, dass wir genau den Schmerz, den wir eigentlich vermeiden wollten, wieder und wieder erleben.
Wie kommen Schutzstrategien zustande?
Zurück zum Anfang. Bevor ich dir die häufigsten Schutzstrategien aufzeige und erste Impulse gebe, wie du sie auflösen kannst, schauen wir uns ihren Ursprung an.
Der Film deiner Kindheit
Die Erinnerung an unsere Kindheit bleibt ein Leben lang unser Begleiter. Ja, selbst dann, wenn wir uns bewusst nur noch an Bruchteile von damals erinnern. Denn in den ersten 7 Lebensjahren entsteht der Großteil unserer nicht angeborenen Prägungen, unserer Überzeugungen und unseres Weltbildes.
Man könnte sagen, es entsteht in unserem Unterbewusstsein ein Film darüber, wer wir sind und was uns auf dieser Welt erwartet. Dieser Film begleitet uns meist unbewusst ein Leben lang, beeinflusst, was wir denken, fühlen und wie wir handeln.
Man könnte diesen Film auch als unseren inneren Kind Anteil bezeichnen. Obwohl du heute erwachsen bist, dirigiert dieser Anteil noch immer dein Leben.
Das verletzte innere Kind – ist ein Anteil in uns, der alle Erinnerungen und Gefühle aus unserer Kindheit gespeichert hat. Innere Kind-Arbeit bedeutet, diesen auf den Grund zu gehen und den kindlichen, verletzen Anteil in uns zu trösten, zu bestärken und zu heilen, damit wir uns im Hier und Jetzt von altem Schmerz und hinderlichen Glaubensmustern lösen können.
Die meisten inneren Kind Methoden, mit denen man das bewirken kann, sind so ausgerichtet, dass man erstmals zurück zum Ursprung kehrt – also zu jener Erinnerung, bei der die Verletzung stattgefunden hat. Was aber, wenn es da keine Erinnerung gibt? Was, wenn du dich nur noch an Bruchteile deiner Kindheit erinnerst oder überhaupt gar nichts mehr aus deiner frühen Kindheit bis zum siebenten Lebensjahr abrufen kannst?
Jeder von uns trägt ein verletztes Inneres Kind in sich. Versteckt in einer geschützten Ecke unseres emotionalen Wesens weint, schreit oder wütet es und beeinflusst dadurch erheblich unsere Lebensqualität im Hier und Jetzt. Bei manchen sabotiert es die Liebe und Beziehungen zu nahestehenden Menschen, andere verleitet es dazu immer wieder dieselbe Kränkung oder dieselbe Enttäuschung zu erleben und wieder andere werden durch den Schmerz des inneren Kindes krank oder in ihrem permanenten Unglücklichsein gefangen gehalten.
Im Verlauf unseres Lebens begegnen wir vielen Menschen. Einige davon werden zu Freunden, Liebhabern und zu Lebenspartnern. Natürlich gibt es viele Gründe, die bei der Wahl unserer Herzensmenschen eine Rolle spielen, aber einer der zentralsten ist unser inneres Kind, das insbesondere bei der Wahl des Lebenspartners sehr oft den Ton angibt.
Wieso in der Vergangenheit kramen? Schließlich findet das Leben im Hier und Jetzt statt. Zig Bücher, Psychologen und Mentaltrainer bestätigen, dass Achtsamkeit in der Gegenwart eine der größten Glücksquellen ist. Und auch ich schließe mich dieser Meinung an. Aber ein…