„Sie ist wirklich reif für ihr Alter,“ schwärmt Sophies Mutter und schenkt ihrer Tochter beiläufig einen stolzen Blick. „Manchmal vergesse ich sogar, dass sie ein Kind ist und spreche mit ihr, wie mit einem Erwachsenen.
Das Mona-Lisa-Syndrom, benannt nach dem weltberühmten Gemälde von Leonardo da Vinci, beschreibt meist Frauen, die sowohl ihre eigenen Bedürfnisse, aber auch ihr Leiden, hinter verschlossenen Lippen, genauer gesagt - einem Lächeln - verbergen. Wer betroffen ist, wird von anderen meist als besonders hilfsbereit, freundlich oder unkompliziert wahrgenommen. Auf lange Sicht kann das aber schädlich sein.
Das pflegeleichte Kind in dir
„Sie ist so pflegeleicht und reif für ihr Alter!“ Hast du diesen oder ähnliche Sätze in deiner Kindheit öfter gehört und dich dabei wie ein neuer Schneekönig gefühlt?
Was auf den ersten Blick wirkt wie ein Kompliment, kann leider erheblich negative Auswirkungen auf unser Leben haben. Denn leider ist ein pflegeleichtes Kind keine Win-Win-Situation. Klar ist, dass Eltern mit „unkomplizierten“ Kindern weniger gestresst sind und ihre Bedürfnisse nicht ganz so sehr zurückstellen müssen, wie es die Regel ist.
Wenn du ständig für jeden die Mutterrolle übernimmst
Kommt dir das bekannt vor? Es war ein langer Arbeitstag, sowohl dein Partner, als auch du bist erschöpft. Trotzdem bist du es, die in der Küche steht und noch schnell ein Abendessen zaubert, später den Abwasch macht und die Waschmaschine einschaltet, während dein Partner sich auf der Couch erholt.
Wenn diese oder ähnliche Situationen eine Ausnahme sind, ist das kein Problem. Wenn du aber dauerhaft in die Rolle der Mutter, Kümmerin oder Organisatorin steckst, dann bist du vielleicht vom so genannten Wendy-Syndrom betroffen.
Weißt du noch, wer du wirklich bist?
Flüstert dir deine innere Stimme oder dein Unterbewusstsein auch manchmal den einen oder anderen der folgenden Sätze zu?
Ich muss lieb und höflich sein.
Ich darf ja nicht negativ auffallen.
Andere sollen nicht schlecht über mich denken oder sprechen.
Ich muss unkompliziert sein, damit ich für andere angenehm bin.
Ich darf mich nicht wehren.
Ich sollte lieber still sein.
Ich muss bescheiden sein.
Ich muss mich anpassen.
Falls eine oder mehrere dieser Aussagen auf dich zutreffen, so besteht die Wahrscheinlichkeit, dass du die Schutzstrategie Überanpassung lebst. Meist geht diese mit Harmoniestreben und Verlustängsten einher. Weitere Signale können sein, dass du dich schnell unterordnest, bei dominanten Menschen sicher fühlst, deine Wünsche und Bedürfnisse hinten anstellst, schlecht Grenzen setzen kannst, konfliktscheu bist und dazu tendierst, dich unbewusst anzubiedern, um zu gefallen.
Menschen, die Konflikte chronisch meiden, leiden an so genannter Harmoniesucht. Und es verbirgt sich dahinter wirklich ein großes Leid, wie ich aus eigener Erfahrung weiß. Bevor ich dir erzähle, warum und wieso und wie du die Harmoniesucht loswirst, lass uns mal feststellen, ob du unter Harmoniesucht leidest.
Schau dir an, ob eine oder mehrere Aussagen auf dich zutreffend sind:
Du sagst nicht, was dich stört, aus Angst davor, es könnte ein Konflikt entstehen, dem du dich nicht gewachsen fühlst.
Anstatt dass du dich über die Marotten deines Partners oder deiner Kollegin aufregst, räumst du ihnen schweigend die Dinge hinterher.