Die Aufopferungsfalle: Warum ich andere immer retten will

Retter-Junkie?

Ich gebe es zu, ich bin ein Retter-Junkie. Obwohl ich diesen Wesenszug an mir liebe und dadurch schon für den ein oder anderen geliebten Freund beinahe Wunder erwirken konnte, bin ich mir dessen bewusst, dass das Retter-Syndrom auch ein Symptom meines inneren Schmerzes ist.

Dies zu verstehen und zu eruieren, woher das Gefühl, andere immer retten zu wollen, kommt, half mir dabei, das richtige Helferausmaß zu finden und den Schmerz hinter dem Symptom zu lindern bzw. zu heilen.

Falls du auch jemand bist, der schnell zum Retter wird oder sich gar für das Wohl anderer aufopfert, dann ist der heutige Beitrag genau richtig für dich.

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Woher kommt das Gefühl, andere retten zu müssen?

Den Hintergrund deines Bedürfnisses andere retten zu wollen, zu verstehen, gibt dir die Möglichkeit, frei darüber zu entscheiden, ob du dich wirklich aufopfern willst oder ob du lediglich ein Unterstützer sein möchtest. Den Unterschied erkläre ich später noch genauer. Ebenso, warum das Helfen im richtigen Ausmaß gesund ist, während das Retten für alle Parteien, inklusive dir, sabotierend sein kann.

Lass uns aber im ersten Schritt herausfinden, warum dein Bedürfnis nach Retten so stark ausgeprägt ist. Dafür gibt es vier mögliche Hauptursachen.

1. Die perfekte Ablenkung vom eigenen Schmerz

Wenn jemand ständig damit beschäftigt ist, andere zu retten oder sich gar aufzuopfern, dann bleibt ihm kaum Zeit für sein eigenes Leben. Kurzum könnte man sagen, wer ständig damit beschäftigt ist, andere zu retten, lenkt von sich selbst ab.

Aber warum sollte man das tun? Ganz einfach: Unbewusst wissen wir, dass es in uns und in unserem Leben so einige Baustellen gibt, um die wir uns dringend kümmern sollten. Sei es nun die alte Verletzung aus der Kindheit, die geheilt werden möchte, der Mangel an Selbstvertrauen, der Job, der uns außer ein bisschen Einkommen nur noch Frust beschert oder die Beziehung, die sich nicht mehr lebendig anfühlt.

All das sind wichtige Themen. Gleichzeitig können sie verdammt unangenehm sein, weswegen uns eine unbewusste Ausrede gerade recht kommt. Und da kaum etwas mehr gesellschaftlich und auch in unserem eigenen Wertesystem mehr anerkannt ist, als andere zu retten – dient uns das Aufopfern als perfekter Vorwand dafür.

2. Die Angst vor dem Scheitern

Wenn wir außerdem nicht ständig damit beschäftigt wären, uns für andere aufzuopfern, hätten wir Zeit und Energie, endlich das Leben zu erschaffen, dass wir uns wünschen. Gleichzeitig würde das aber auch ein Risiko bedeuten. Was nämlich, wenn wir gar nicht gut genug für den Job, den wir uns wünschen, sind? Was, wenn wir unser Ziel nicht erreichen? Was, wenn wir scheitern?

Die Angst davor, nicht in der Lage zu sein, sein eigenes Leben zu erfüllen, kann so groß sein, dass wir dann lieber sagen:

  • Ja, wenn ich mich nicht alleine um den Haushalt und die Kinder kümmern müsste, könnte ich ja meinen Traumberuf nachgehen.
  • Ja, wenn ich nicht nebenher 13 ehrenamtliche Ämter hätte, könnte ich mich ja endlich auf die Suche nach dem wahren erfüllten Leben begeben.
  • Ja, wenn ich mich nicht um meine gealterten Eltern kümmern müsste, könnte ich ja genug Sport machen und hätte Zeit, mich gesund zu ernähren.
  • Ja, wenn ich nicht die große Stütze für all meine Freunde wäre und mich nicht fortwährend um ihre Probleme kümmern müsste, dann hätte ich ja Zeit dazu, endlich die Ausbildung nachzuholen, die ich schon immer machen wollte.

Auch hier dient uns das Rettersyndrom unbewusst als Ausrede, uns unserem eigenen Leben und auch der Chance zu Scheitern zu stellen.

3. Retten, weil ich selbst gerne gerettet worden wäre

Diese Ursache ist meist völlig unterschätzt und geht meist sehr tief. Ich habe mich in ihr vor einiger Zeit eindeutig wiedererkannt. Sie trifft vor allem zu, wenn du selbst sehr lange Zeit oder vielleicht noch immer das tiefe Bedürfnis hast, gerettet zu werden.

Wenn du also selbst in der Kindheit oder auch später etwas Schlimmes erlebt hast und dir nicht die Hilfe, die du gebraucht hättest, entgegneten gebracht wurde. Wenn es den Retter, den du dir so sehr gewünscht hättest, einfach niemals gab und du der schmerzhaften Situation hilflos ausgeliefert warst.

Dann nämlich versucht unsere Psyche diesen Schmerz auszugleichen, indem wir selbst zu dem Retter werden, den wir uns immer gewünscht haben. Wir tun dann Dinge, die über das „normale“ Helferausmaß hinausgehen und glauben unbewusst, dass wir uns mit der Rettung des anderen auch selbst heilen.

Vielleicht geschieht dies ein Stückweit sogar. Aber leider nicht in dem Ausmaß, dass wir unseren eigenen, alten Schmerz damit heilen könnten. Denn der Anteil in uns, der gerettet werden will, bleibt durch unser Engagement für andere erst wieder alleine. Wenn dein Bewusstsein diesen Zeilen gefolgt ist und du dich wiedererkannt hast, bleibt mir nur noch ein Satz zu sagen:

Es ist an der Zeit, dass du deine Energie dafür einsetzt, dich selbst zu retten.

4. Retten, um deinen Wert zu erhöhen

Wie schon erwähnt, ist Retten und Helfen gesellschaftlich hoch anerkannt. Genau das verleitet Menschen mit einem geringen Selbstwert dazu, das Retterverhalten zu nutzen, um sich besser zu füllen.

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Genau genommen, versuchen sie durch das Aufopfern ihr Gefühl, nicht liebenswert und wertvoll genug zu sein, zu kompensieren.  Sie denken, meiner selbst wegen bin ich nicht wertvoll. Aber, wenn ich andere rette und mich für ihr Wohl aufopfere, dann bin ich wichtig und wertvoll.

Leider ist ihnen oft nicht bewusst, dass es ebenso eine Heldentat ist, sich selbst zu retten.  

Auswirkungen, wenn du ständig rettest

Nach den Ursachen für das Rettersyndrom widmen wir uns den Auswirkungen. Zumindest diese sollten doch positiv sein, denn Retten bedeutet ja immer, dass man etwas Gutes tut und das Leben anderer verbessert. Oder vielleicht auch nicht.

1. Du entmachtest andere

Die Kehrseite von „Der-Retter-sein“ ist, dass du dem Betroffenen die Kompetenz absprichst, dass er sich selbst rettet. Das kann dazu führen, dass der Betroffene mehr und mehr an Selbstwert verliert, unselbstständig wird oder einfach denkt, alleine nichts auf die Reihe zu bringen.

Verstehe mich nicht falsch! Es geht hier um das Retten, nicht um Unterstützung. Retten entmachtet den Betroffenen, Unterstützung hilft ihm. Der Unterschied: Unterstützung ist kurzfristig und zielt auf ein nachhaltiges Ergebnis ab. z.B. Du hilfst jemandem eine Arbeit zu finden, aber du machst seine Arbeit nicht. Du gibst jemanden Samen, um Gemüse zu pflanzen, aber du säst und erntest nicht für ihn.

2. Du vergisst dich selbst zu retten – es bleibt keine Energie mehr

Die zweite negative Auswirkung ist offensichtlich. Du lenkst nicht nur von dir selbst und deinem Leben ab, sondern dir bleibt auch keine Energie und Zeit mehr, um deine eigenen Bedürfnisse zu erfüllen und dir das Leben zu erschaffen, das du dir wünscht.

Außerdem verwehrst du dir auch deine innere Wundversorgung: Während du die Wunden der anderen heilst, bleibt deine weiterhin offen und schmerzhaft.

Praktische Tipps – wie du aufhörst andere zu retten (und beginnst dich selbst zu retten)

  • Finde ein gesundes Helfer-Ausmaß. Merke dir dazu folgende Formel: Hilf einem anderen nie mehr als er sich selbst hilft. Sobald du dich mehr engagierst als er, ist deine Hilfe nicht mehr gesund und nicht nachhaltig. Weder für dich, noch für ihn.
  • Frage dich offen und ehrlich: Von welcher inneren Wunde lenkt mich das Retten im Außen ab? Wo und wann wäre ich selbst gerne gerettet worden? Wie kann ich mit kleinen Schritten beginnen, mich selbst zu retten?
  • Mach dir bewusst, dass es eine Heldentat ist, dich selbst zu retten. Wenn jeder sich selbst retten würde, gäbe es auf dieser Welt nur noch sehr wenige Probleme.
  • Arbeite an deinem Selbstwert und an deiner Beziehung zu dir selbst. Nur so kannst du schädliches Kompensierungsverhalten wie Aufopferung, es allen recht machen oder das Retter-Syndrom langfristig auflösen.

Wenn du die Beziehung zu dir selbst vertiefen und alte Wunden, die auch heute noch unbewusst dein Leben dominieren, heilen möchtest, dann lade ich dich herzlich ein, dir mein Herzensprogramm, den 9 Wochen Selbstliebe-Lehrgang in der Variante „nur für mich“ oder „Selbstliebe-Trainer“ anzusehen. Das nächste Live-Programm mit meiner persönlichen Begleitung startet in Bälde.

Herzlich, deine Melanie

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